Die meisten Bilder, die ich auf der Straße mache, sind für die Tonne. Zu weit weg, Hintergrund zu unruhig, es passiert zu wenig, die einzelnen Bildelemente funktionieren nicht zusammen oder das Bild ist technisch unrettbar vergeigt.
Das kann tatsächlich frustrierend sein. Zu wissen, dass es nahezu allen anderen Straßenfotografen ähnlich geht, ist dann auch nur ein schwacher Trost. Murphy’s Gesetz der Street Photography: „Was bei einem Streetfoto schief gehen kann, geht auch schief.“
95%-99% meiner Streetfotos sind Müll. Damit kann ich leben.
Dennoch: Mit diesen vermasselten Bildern kann ich gut leben: Zu Hause am Bildschirm kann ich mir in Ruhe anschauen, und mich fragen
- Warum habe ich das Bild überhaupt gemacht?
- Warum ist das Bild nicht gut geworden?
- Was hätte ich besser machen können?
Wie ich in den Streetfotografie Tipps schrieb: Ich kann von meinen misslungenen Bildern lernen. Und danach lösche ich den Mist entspannt. Wie im Fussball gilt bei der Streetfotografie: „Nach der Straße ist vor der Straße. Hoffentlich etwas gelernt und dann: Neues Spiel, neues Glück.
Von einem misslungenen Bild kann ich lernen. Von einem verpassten Bild nicht.
Womit ich schlecht leben kann, sind die Bilder, die ich nicht gemacht habe, weil ich zu langsam war oder zu lange überlegt habe.
Die Bilder, die ich nicht gemacht habe sind, bringen mir auch nichts. Mir bleibt kein Bild für mein Portfolio. Und ich kann noch nicht einmal überprüfen, ob das, was ich zu sehen meinte, auch so funktioniert hätte. Kurz: Ich kann nichts lernen.
Das nicht gemachte Bild ist eine verpasste Chance. Mir bleibt nichts: Kein gutes Bild, auf dass ich stolz sein könnte, kein schlechtes Bild, von dem ich lernen könnte und auch keine Erinnerung an den Moment. Der Moment ist weg und zwar für immer. Das war es.
Meine Kameraeinstellungen sind auf Tempo optimiert.
Meine Kameraeinstellungen sind heute auf Tempo optimiert. Belichtung, Fokus, Iso: Alles auf Automatik. Und auch ich selbst auf Automatik: Wenn ich etwas sehe, was spannend sein könnte, Klick und wenn mehr passiert, geht es weiter: Klick, Klick und Klick. Ich fotografiere so lange, bis die Szene vorbei ist.
Aussortieren und Bewerten kann ich zu Hause. Aber ich kann mich eben auch nur mit den Bildern zu Hause auseinandersetzen, die ich tatsächlich auch gemacht habe.
Manchmal heisst es: Schnell oder gar nicht. Zeit für die Bilder in diesem Post: 1 Minute und 11 Sekunden.
Natürlich nehme ich mir gerne Zeit und komponiere ein Bild sorgfältig. Aber manchmal passiert es einfach, wie dieser Platzregen, den meine Frau und mich überraschte, als wir essen gehen wollten. Und dann heisst es: Schnell oder gar nicht. Zwischen dem 1. und dem letzten Bild liegen 1 Minute und 11 Sekunden.
Und danach war es auch vorbei, jeder hatte sich untergestellt und der Regen ließ nach. Mehr Bilder gab es nicht. Hätte ich nicht fotografiert, wären mir mehr als nur ein paar nette Bilder entgangen. Denn erst als ich diese Bilder sah, kam mir die Idee zur light urban rain Serie. Ohne diese Bilder gäbe es wohl auch die ganze light urban rain Serie nicht.
Deshalb heisst es für mich im Zweifelsfall immer: Klick, Klick und Klick. Besser ein schnelles Bild als keines.